REDE VON MARCUS NITSCHKE
anlässlich des Abschiedsfestes
Eine Rede danach
Wie wenige Fotos reichen, um von einer Architektur einen Eindruck zu geben? Wie wenige Kunstwerke und Material-, Form- und Stilversuche reichen, um von der Kunst einen Eindruck zu geben? Und: wie viele Werke reichen für ein Künstlerleben?
Über zwanzig Jahre hat Heinrich Hermes die Architekturen unseres Büros D:4 fotografiert und immer wieder erstaunte er uns, mit wie wenig Motiven er von seinen Ortsterminen zurückkam. Doch mit klarem Blick sah er das Entscheidende und fand sicher die Charakteristika. Seine wenigen Bilder zeigten mehr als die vielen, die sonst noch entstanden. Es blieben immer seine Aufnahmen, die unsere Ideen und Erinnerungen ins Bild setzten.
Die Architektur war Auftragsarbeit. Die Kunst war eine Art und Weise, alles, was da ist, aus einer eigenen Perspektive darzustellen, als ein Bild umzusetzen. Heinrichs frühe Fotografien zeigen in Schwarz und Weiß die Auflösung der Gegenstände in Bilder und zugleich das Medium, das Handwerk, womit dies geschieht, besser: bewerkstelligt wird. Die Vorführung des Mediums und des Materials lädt die Abbildungen mit Assoziationen auf: das sieht ja aus wie in den Anfängen der Fotografie … Hier gibt es schon die Serie, das formale Prinzip, das Ordnung und Struktur in die Kunst bringt.
Aus dem Material eine Form machen, als Umriss –, diese Form sich aneignen – sie wiederholen –, das ist der nächste Schritt. Der Umriss eines Gefäßes, ein Napf, eine ideale Schüssel, herausgeschnitten aus Gummi, als eine feine Bleistiftlinie, als Siebdruck: die Form ist der Inhalt dessen, was man sieht, undramatisch, unspektakulär. Man soll sich an deren Anblick erfreuen, das ist die Absicht. Leider haben nie viele die Ruhe aufgebracht, das zu tun.
Eine dritte Werkphase ist die Umsetzung von Worten in Bildern, Worte an die Stelle von Abbildungen zu setzen, diese selber wie ein Bild zu gestalten. Diese Wort-Bild-Arbeitsweise wird dann auch zu Büchern, zu einem dezenten Weg, andere davon in Kenntnis zu setzen. Zugleich sind die Wortgebilde in den Büchern wie Gedichte, die einen persönlichen Inhalt transportieren können: Aussagen über die Zustände, in denen man sich befindet, zwischen Zeitkritik, Experiment und Einsamkeit.
Die Wortgebilde und Bildmotive sind gedacht als eine Serie in einem kleinformatigem Rahmen, die für eine Zeit vor Augen sind und die dann gewechselt werden können mit anderen Motiven zu einem anderen Rhythmus. Das Schönste wäre, man würde damit leben. Die Auswahl, die hier heute zu sehen ist, ist seine Auswahl.
M. Nitschke